Gehen Dir die Dinge leicht von der Hand oder lasten sie schwer auf Deinen Schultern? Leichtigkeit ist kein Zufall, sondern eine Wahl. Dass darf ich gerade am eigenen Leib erfahren – hier ein Erlebnisbericht mit Tipps, wie Du Dein Leben besonders in schwierigen Situationen leichter handhaben kannst.
Rechtshänderin mit links
„Das mach ich doch mit links“ bedeutet sprichwörtlich, dass man etwas mit Leichtigkeit erledigt, spielerisch, erfolgreich. Dabei sind die meisten Menschen Rechtshänder – mit der linken Hand fallen ihnen die einfachsten Handgriffe schwer: Haare kämmen, Gemüse schnippeln oder Zettel schreiben werden plötzlich zur Herausforderung. So ist mir seit meine rechte Hand „out of order“ ist schmerzlich-klar bewusst, wo ich sie überall brauche. Als Rechtshänderin ist sie mir ein wertvolles Werkzeug beim Handeln, ein Kommunikationsmittel beim Hände schütteln, meine haptische Verbindung zur Welt.
Vorläufig hat meine Rechte allerdings Pause vom Tun, stattdessen darf sie in einer Schiene ruh’n. Mindestens zwei Wochen, sagt der Arzt, Diagnose Sehnenscheidenentzündung. Ich sei etwas spät damit gekommen und hätte es wohl erst auf die „leichte Schulter“ genommen, vermutet er. Das mag so sein und ernst nehmen ist manchmal angebracht, aber auf die „schwere Schulter“ will ich es auch nicht nehmen. Wie also die Situation am besten handhaben? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, mich innerlich auszurichten.
Worauf möchte ich mich fokussieren?
1. Möglichkeit: Ärgern darüber, was gerade nicht oder nur schwer geht. „Mein Leben mit rechts“: Yoga üben, Massagen geben, Geige spielen, Handgeben (rechts), Malen, Pois schwingen, Abwaschen, Schwimmen, Stricken, Radfahren, Schreiben, Duschen…
2. Möglichkeit: Freuen darüber, was gerade (trotzdem) geht. „Mein Leben mit links“: Spazierengehen, Beratungen und Energie-Behandlungen geben, Tanzen, Meditieren, Musikhören, Schlafen, Fernsehen, Freunde treffen, Knutschen, Sonnen, am PC Tippen…
Das halb voll-leere Glas
Im Prinzip ist das nicht neu, es ist der Unterschied, ob ich das sprichwörtliche Glas als halb voll oder halb leer wahrnehme. Aber wie genau kommt das zustande? Option 1 bezieht sich auf den Mangel, also auf all das, was ich normalerweise kann, aber jetzt eben nicht. Will ich es allerdings weiterhin tun, entsteht eine Diskrepanz zwischen meinem gegenwärtigen Wollen und Können. Ich gerate ins Leiden bzw. in die Mangel-Perspektive. Das Glas ist (mindestens) halb leer.
Option 2 bezieht sich dagegen auf die Fülle, also auf all die Möglichkeiten, die mir trotz der Einschränkung jetzt zur Verfügung stehen. Wenn ich mir die Mühe mache sie zu sehen, gibt es jede Menge Handlungen, die ich auch geHANDicapt vollziehen kann. Wenn ich diese Dinge noch dazu auch will (anstelle derer, die ich nicht umsetzen kann), komme ich in die Freude oder zumindest Zufriedenheit, bin in der Fülle-Perspektive. Das Glas ist (mindestens) halb voll.
Wollen = Können = Frieden
Im Widerstand zu sein gegen das, was ist, führt sicher nicht zum „himmlisch leben“ (mehr dazu hier). Meine Hand ist verletzt, da kann ich mich auf den Kopf stellen (bzw. momentan eben nicht). In meiner äußeren Situation bin ich tatsächlich eingeschränkt, alles andere wäre Schönrednerei. Frei bin ich allerdings in meinem Innern, in meiner Sichtweise und meinem Wollen. Will ich nur tun, was ich gerade kann, bin ich zufrieden.
Wenn Können und Wollen gleich sind, entsteht in mir ein Zustand von Frieden, Glück und Leichtigkeit. Auf die Spitze getrieben ist das theoretisch immer und überall, in jeder erdenklichen Situation möglich. Praktisch geraten wir mit dieser Methode allerdings spätestens in Situationen wie Krieg oder Vergewaltigung an unsere Grenzen. Zwar haben die altgriechischen Stoiker empfohlen, tatsächlich alles stoisch, also ohne emotionale Regung, zu ertragen. Aber ich will fühlen, ich will gar nicht alles ertragen können. Und doch macht es mich zufriedener, mich im Alltag weniger über gefühlte Einschränkungen wie eine „defekte“ rechte Hand zu ärgern.
Linkisch froh
Nach dem ersten Trotz beginne ich tatsächlich mein „Leben mit links“ gar nicht mehr so schlecht zu finden. Ich habe jetzt gezwungener Weise Zeit für Vieles, zu dem ich sonst nicht komme, gönne mir Muße in einem Ausmaß wie sonst nur selten. Sogar meine Schiene finde ich mittlerweile fast schick. Und meine Foto-App hilft mir, sie in einem noch schöneren Licht zu sehen. Dankbar bin ich über diese praktische Erfindung allemal und freudig überrascht, wie meine linke Hand geschickt und flinker wird beim Haare bürsten.
Immer wieder neu: Entscheiden & ausrichten
Natürlich bekomme ich zwischendurch doch Lust auf etwas, das eben nur mit zwei gesunden Händen funktioniert. Kaum klaffen Können und Wollen auseinander, schon blitzen Ärger, Selbstmitleid oder Langeweile auf. Das ist aber nicht weiter dramatisch. Zumindest nicht, solange ich es nicht als Drama bewerte. Statt zu hadern heißt es dann schlicht, mich wieder neu mit meinem Wollen auf mein Können auszurichten.
Die Sehnenscheidenentzündung ist also eine lehrreiche Erfahrung für mich – empfehlen würde ich sie trotzdem nicht. Das Prinzip lässt sich ja auch in anderen, weniger schwierigen Situation im Leben lernen. Schon im nächsten Stau oder kleinen Schnitt in den Finger kannst Du Dir damit eine positive Erfahrung bescheren.
Der Weg in die Leichtigkeit
In einer schwierigen Situation kommst Du also über zwei Stationen wieder zur Leichtigkeit. Erstens Deine Bestandsaufnahme: Was ist aktuell (noch) für Dich möglich? So wechselst Du Deine Perspektive vom Mangel in die Fülle. Zweitens Deine innere Ausrichtung: Entscheide Dich dafür, nur das was Du als möglich erkannt hast bewusst zu wollen. Mangel macht Dich schwer und eng, Fülle dagegen leicht und weit. Entscheidend ist, worauf Du Deinen Fokus legst, aus welcher Perspektive Du Deine Situation betrachtest und was Du zu wollen wählst. Du hast die Wahl, die Qual oder die Harmonie zu wählen. Auch wenn sich das Außen begrenzt anfühlt – im Innern bist Du frei und hast immer genau jetzt die Wahl. Ich habe mich gerade neu entschieden: ich mag mein leichtes Leben mit links!
Viel Leichtigkeit und Erfolg beim Anwenden, alles Liebe,
Zoë Celestine